Jerusalem

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Markus 13,19

Donnerstag 27.3.2025 – Der Fokus: Markus 13,14-20 Vom Todeskampf der Stadt Jerusalem Markus 13,19 - Jerusalem  - William Barclay BARMAR 278

Zerstörung des Lebens in der Geschichte und in der Gegenwart im Voraus realisieren, dass wir bevor sie uns treffen kann fliehen, um ihr zu entgehen

Die Mahnung:

Markus 13,19 Denn jene Tage werden so schrecklich sein, dass sie alles übertreffen, was je geschah, seit Gott die Welt geschaffen hat. Auch danach wird es eine solche Bedrängnis nie mehr geben.

Im Jahre 70 nach Christus fiel Jerusalem unter Titus, der später Kaiser wurde, endgültig den Belagerern in die Hände. Die Schrecken dieser Belagerung gehören zu den erschütterndsten Seiten im Buch der Geschichte. Die Menschen strömten vom Land in die Stadt Jerusalem hinein. Titus blieb keine andere Wahl, als die Stadt auszuhungern, damit sie sich ergab. Erschwert wurde die Situation dadurch, dass innerhalb der Stadt selbst zu diesem Zeitpunkt Sekten und Parteien einander bekämpften, so dass Jerusalem sowohl von außen als auch von innen bedroht war. Im fünften Buch seiner "Geschichte des jüdischen Krieges" hat Josephus diese Belagerung beschrieben. Danach gerieten 97 000 Juden in Gefangenschaft, und 1 100 000 kamen entweder durch Hunger oder durch das Schwert um. Der Hunger habe immer weiter um sich gegriffen und ganze Familien dahingerafft. In den Obergemächern seien Frauen und Kinder eines langsamen Hungertodes gestorben. Die Gassen der Stadt hätten voller toter alter Menschen gelegen; Kinder und junge Leute seien auf den Marktplätzen wie Schatten umhergewandert, von Hungerödemen gezeichnet, und irgendwo tot umgefallen. Die Kranken waren nicht imstande, die Toten zu bestatten, und die Gesunden seien vor der großen Zahl der Toten zurückgeschreckt, nicht wissend, wann sie selbst sterben würden. Viele seien bei der Beisetzung anderer gestorben, viele hätten sich, bevor der Tod eintrat, selbst in den Sarg gelegt. Niemand habe die Totenklage angestimmt; der Hunger habe alle natürlichen Empfindungen vertrieben, und tiefes Schweigen habe sich wie tiefe Nacht über die Stadt gelegt. Dabei habe es auch an Leichenschändern nicht gefehlt, die die Toten ausplünderten. Weiter berichtet Josephus, manche hätte der Hunger sogar so weit getrieben, dass sie die Abfallhaufen nach Eßbarem durchsucht und Dinge gegessen hätten, deren Anblick ihnen widerlich gewesen sei. Die Menschen hätten an Lederriemen und Sandalen geknabbert, und eine Frau habe sogar ihr Kind getötet und gebraten und es mit anderen zusammen verspeist. 

Was Jesus Jerusalem prophezeit hatte, wurde auf schrecklichste Weise Wirklichkeit. Alle, die in der Stadt Zuflucht gesucht hatten, kamen elendiglich um, und nur die, die seinen Rat befolgt hatten und in die Berge geflohen waren, blieben verschont 

William Barclay aus „Markusevangelium“ Seite 278 


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Sacharja 8,19-23

Sonntag 4.8.2024 - 10.SONNTAG NACH TRINITATIS / ISRAELSONNTAGSacharja 8,19-23Die Wahrheit / Der Friede / Jerusalem - Pfarrer Maik-Andres Schwarz aus Lorch

Nach Jerusalem tanzend pilgern, gestern, heute und morgen im Geist und wenn möglich real, mit Jesus zusammen Wahrheit und Frieden zum Ausdruck bringen, um viele Nachahmer zu finden, die auf ihre Weise mittanzen und unsere Umfelder dadurch zu verwandeln

Die Faszination:

Sacharja 8,19-23 - "So spricht Jahwe, der allmächtige Gott: Die Fast- und Trauertage im Januar, Juli, August und Oktober werden den Juden zu fröhlichen Festtagen mit Jubel und Freude werden. Doch Wahrheit und Frieden müsst ihr lieben!" So spricht Jahwe, der allmächtige Gott: "Es wird noch geschehen, dass viele Völker herbeikommen und die Bewohner ganzer Städte. Die Einwohner der einen Stadt werden zur anderen gehen und sagen: 'Kommt, wir wollen hingehen, um Jahwe zu besänftigen, wir wollen Jahwe, den allmächtigen Gott, aufsuchen! Auch ich will hingehen!' So werden viele und große Völker nach Jerusalem kommen, um den allmächtigen Gott aufzusuchen und ihn gnädig zu stimmen." So spricht Jahwe, der allmächtige Gott: "Dann wird man es erleben, dass zehn Männer aus ganz unterschiedlichen Völkern sich an einen Juden hängen. Sie werden sich an seinem Gewand festhalten und sagen: 'Lasst uns mit euch gehen, denn wir haben gehört, dass Gott bei euch ist.'"

Ich bin an einem Badesee. Die Leute genießen den Sommer und die Sonne. Plötzlich steht einer der Badegäste auf und beginnt zu tanzen. Einfach so, mitten auf der Badewiese, wobei es tanzen nicht ganz trifft. Der Mann bewegt sich auf und ab. Er hüpft herum. In seiner Badehose lässt er den Bewegungen freien Lauf. Die Hände in die Luft, Ausfallschritt. Eine ganze Zeit lang passiert nichts. Die anderen Badegäste schauen halb fasziniert, halb peinlich berührt zu. Der Tänzer bewegt sich weiter. Er macht sich lächerlich. Doch dann springt ihm ein Mann zur Seite und beginnt mitzutanzen. Der erste Mann jubelt ihm zu. Er nimmt seine Hände. Nun hüpfen sie gemeinsam auf und ab. Es dauert nicht mehr lange, da kommt die Dritte. Dann drei weitere. Jetzt rufen sie ihren Freunden zu und schwenken die Arme: „Macht mit!“ Immer mehr schließen sich an. Bis die Leute von allen Ecken der Badewiese herbeigelaufen kommen und einsteigen. Alles tanzt zusammen. Die Musik im Hintergrund verklingt. Großer Applaus.Was für eine Dynamik, denke ich, als ich die Szene auf Youtube sehe. Was für eine Bewegung!

Gott spricht zu Sacharja, und vor meinem inneren Auge entsteht ein Film. Wie das Video vom Badesee mit der Bewegung und dieser Dynamik. Allerdings setzt die Szene ein, als die Bewegung bereits ins Rollen gekommen ist. Das Phänomen ist bereits Stadtgespräch. Eine Stadt sagt es der anderen. Die Botschaft geht schon von Mund zu Mund. Sie stehen von ihrem Badetuch auf und machen sich auf den Weg. Selbst bedeutende Städte wie Babylon oder Persepolis – heute vergleichbar mit Zürich oder München – machen sich auf den Weg. Dorthin, wo die Bewegung herkommt: nach Jerusalem. Und auch die Zaungäste bleiben nicht länger einfach stehen, sondern schnappen sich den Rockzipfel der Leute, die bereits von der Welle mitgerissen sind: einem Judäer schließen sich zehn andere an.
 Für die Leute gibt es wohl etwas in Jerusalem, das es in Persepolis und Babylon nicht gibt. Bei anderen Propheten hat die „Reise nach Jerusalem“ sogar einen Titel: „Schwerter zu Pflugscharen!“, nennt es Micha (Mi 4,3). Von Jerusalem soll Frieden ausgehen. Alle lernen am Zion, wie man den Krieg verlernt. Wie man Panzer zu Traktoren schmiedet. Daran denkt Sacharja.
 Und ich denke: Ausgerechnet Jerusalem! Ausgerechnet jene Stadt, die mich sofort an die Situation in Israel und Gaza seit dem 7. Oktober letzten Jahres denken lässt und mir den Hals zuschnürt. Frieden und Versöhnung haben so massive Rückschläge erlitten, dass es mir schwer fällt, noch einen Funken Hoffnung für die Lösung des Konflikts zu haben.
 Auch für die Zeitgenossen von Sacharja kommt die Szene überraschend, jedoch aus anderen Gründen. Im 7. Jahrhundert vor Christus war Jerusalem zwar geopolitisch nicht unbedeutend, aber ansonsten nur die kleine Hauptstadt eines schwachen Königreichs – Juda. Seine Bewohner, die Judäer, hielten Jerusalem trotzdem für uneinnehmbar. So meinten es zumindest die Theologen und Politiker. Das erwies sich als ein Trugschluss. Die Babylonier brachten sie ins Exil. Glaube an ihren Gott JHWH hatte sie nicht gerettet. Ihre Religion galt als lächerlich. Jerusalem – das war das Zeichen für die große Katstrophe geworden, für den Untergang, für die Strafe Gottes.
 Inzwischen sind 70 Jahre vergangen. Die Politik der Perser hat die Judäer zurück ins Land gebracht. Land und Leuten geht es besser. Und dennoch muss es für damalige Ohren absurd klingen, ausgerechnet nach Jerusalem zu pilgern.

Kurz zurück zum Badesee. Wenn ich nur die tanzende Menge am Ende sehe, muss ich zurückspulen, um zu verstehen, was passiert ist. Da ist zu Beginn nur ein Mann. Auf den ersten Blick ein Verrückter. Er ist bereit, sich in der Öffentlichkeit zu blamieren. Mutig legt er los.
 Was er tut, ist simpel. Er bewegt sich. Er tanzt einfach. So einfach, dass man keine Übung braucht, und dass es einen in den Fingern juckt, einfach mitzumachen. Er macht es uns vor, er zeigt es uns. Dann kommt der erste Follower, der zweite Verrückte schließt sich an und so weiter.
 Für die Zaungäste ist es zu diesem Zeitpunkt noch gefährlich mitzumachen. Bisher sind es nur ein paar Spinner. Bald kommt bestimmt der Bademeister, um sie auf die Hausregeln hinzuweisen, denken sie sich. Und sie spüren die Blicke der anderen. Was wird meine Frau denken, wenn ich jetzt aufstehe? Was sagt der Nachbar?
 Als die nächsten dazukommen, ist die Gefahr gebannt. Die Schwelle wird immer niedriger. Und als es dann schon mehr als ein Dutzend sind, ist der Schalter umgelegt. Für die Zuschauer gibt es jetzt kein Risiko mehr. Die News breitet sich auf der Badewiese aus wie ein Lauffeuer. Wer jetzt noch schnell genug ist, kann noch dazugehören und zum inner circle gehören. Am Ende gibt es kein Halten mehr, und es wird langsam peinlich für die, die nur zuschauen. Die Letzten springen auf und applaudieren.
 Zwei Dinge habe ich durch das Video an Sacharja verstanden. Zum einen: Was man tut und die dahinterstehende Vision müssen einfach sein.
Was sich laut Sacharja in Jerusalem verändert hat, ist ebenso simpel. Spult man auch hier zurück und sucht danach, was die Bewegung ausgelöst hat, findet man ein klares Prophetenwort: „Liebt Wahrheit und Frieden!“, heißt es kurz vor unserer Szene. Ganz oben auf der Agenda steht also nicht mehr der Glaube an die eigene Stärke. Im Gegenteil: „Liebe Leute“, sagt Sacharja, „redet wahrhaftig unter- und miteinander! Vergesst die Armen und Bedürftigen unter euch nicht! Bedrückt die Fremdlinge nicht!“ (Sacharja 7,9-10; 8,16-18)
 
Wahrheit und Frieden. Das sind die Werte, für die das biblische Volk Israel – und später das Judentum als erste Buch- und Bildungsreligion – immer wieder schräg angeschaut wurde. Die Nächstenliebe ist weder ein Einfall von Jesus noch der Aufklärung. Gerechtigkeits- und Nächstenliebe sind der rote Faden in der gesamten Hebräischen Bibel. Das war so überzeugend gut und simpel, dass die ganze Welt am Rockzipfel des biblischen Israel hängt.
 Und dann habe ich gelernt: Die wichtigste Person in der Szene am Badesee ist nicht der Tänzer, mit dem alles begann. Die zentrale Rolle spielten die ersten und zweiten Nachahmer. Sie stiegen ein, als alle noch dachten: „Was soll das?“ Zu einem Zeitpunkt, als der Preis noch hoch war mitzumachen, da machen sie den Unterschied. Dass der Funke überspringt, damit diese Dynamik entsteht, liegt im Video nicht am Tänzer. Es braucht den ersten Follower. Es braucht die zweiten und dritten Mutigen. Ohne sie wäre aus dem einsamen Tänzer nie eine Massenbewegung geworden.
Bei Sacharja ist es wie bei dem Tänzer. Nächstenliebe ist Handarbeit. Den Nahostkonflikt kann ich nicht lösen. Doch wie ich über meine Nachbarin denke, wenn sie die Biomülltonne schon wieder nicht geleert hat, habe ich in der Hand. Wie ich meinen Sitznachbarn in der Bahn beäuge, weil er in einer mir fremden Sprache telefoniert (Sach 7,16), liegt an mir. Ob ich etwas gegen den Antisemitismus sage: Es kommt auf mich an. Wenn ich mitmache, kann daraus eine Bewegung werden. Frieden beginnt bei mir! Pfarrer Maik-Andres Schwarz aus Lorch in seiner Predigt zum Israelsonntag